Garantie und Gewährleistung

Frage: Unser Händler behauptet, mit der Codierung verlieren wir unsere Fahrradgarantie. Ist das richtig?

Unsere kurze Antwort: wir halten das für fragwürdig und unzulässig.

Für die längere Erläuterung müssen wir einige Begriffe genauer erklären. Wir können hier keine Rechtsberatung bieten, aber uns an den gesetzlichen Rahmenbedingungen orientieren:

1 Garantie

Manche Hersteller bieten für Ihre Produkte zusätzliche Garantieleistungen an.

Eine Garantie ist eine freiwillige Leistung des Herstellers. Diese kann er mit beliebigen Fristen und Bedingungen verknüpfen – beispielsweise eine 20-jährige Garantie auf den Fahrradrahmen, die aber nur für den Erstbesitzer gilt.

Bei einer solchen, freiwilligen Garantie kann der Hersteller auch darauf bestehen, dass diese Garantie eine Codierung ausschließt.

Aber ist das sinnvoll? Wie will der Hersteller einen Rahmenbruch unten am Tretlager damit begründen, dass oben am Sitzrohr codiert wurde? Hier muss ein logischer und plausibler Zusammenhang bestehen, dass eine Codierung zum Bruch geführt hätte.

Neben den Herstellern bieten übrigens auch manche Händler eigene Garantien an. Üblicherweise ergänzen sich gleichzeitige Garantien und der Kunde kann zwischen den Garantieleistungen frei auswählen.

2 Gewährleistung

Die Gewährleistung ist eine gesetzliche Pflicht des Händlers, die sich aus dem Kaufvertrag mit dem Kunden ergibt. Mit der Schuldrechtsreform von 2002 wurde der bekanntere Begriff der Gewährleistung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ersetzt durch die Mängelhaftung. Das BGB ist relevant für den Vertrag zwischen Verkäufern und Privatkunden.

Diese gesetzliche Pflicht darf der Händler ohnehin nicht verweigern durch Verweis auf irgendwelche Hersteller-Bedingungen. Die gesetzliche Haftungsfrist beträgt hier 24 Monate – und in den ersten zwölf Monaten liegt sogar die Beweislast beim Verkäufer, wenn Schäden auftauchten und der Verkäufer deren Behebung verweigern will mit der Begründung, dass der Schaden nicht schon beim Verkauf angelegt war, sondern durch missbräuchliche Nutzung beim Kunden entstanden wäre.

Wenn also das Rad vom Betonmischer überrollt wird, dann wird der Verkäufer hier die kostenlose Reparatur sicher verweigern können.

Die Gewährleistung für einen Rahmenbruch an anderer als der codierten Stelle darf der Händler nach unserer Meinung keinesfalls verweigern, noch viel weniger andere, davon betroffene Schäden. Bei einem Schaden im Bereich der Codierung wäre gegebenenfalls genauer zu prüfen, ob hier ein Zusammenhang besteht.

Möglicherweise kann der Händler konkret eine Codierung verweigern. Dies muss individueller Vertragsbestandteil werden, auf den der Kunde ausdrücklich hinzuweisen wäre. Ein Verstecken solcher Fußangeln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirkt fraglich.

3 typischer Gebrauch

Eine Codierung gehört zum typischen Gebrauch eines Fahrrads. Von daher darf diese nicht verweigert werden.

Im Gegenteil besteht beispielsweise in Frankreich eine gesetzliche Pflicht zur Kennzeichnung der Räder durch den Verkäufer. Bicycode arbeitet hier mit den gleichen Methoden durch Prägung oder Gravur.

4 Unschädlichkeit

Mit etwa 30 Jahren Codier-Erfahrung sind wir überzeugt, dass durch die Codierung kein Schaden am Fahrrad entstehen kann.

Die Gravur-Codierung ist tatsächlich ein spanabhebendes Verfahren. Hier wäre eine Schwächung des Rahmens denkbar. Daher codieren wir typischerweise oben am Sitzrohr. Hier sind die Rahmenrohre ohnehin verstärkt, um die Belastung durch die eingeschobene Sattelstütze zu verkraften. Außerdem ist der Fahrradrahmen dort geringeren Belastungen ausgesetzt als den besonders kritischen Bereichen vom Steuerrohr über das Unterrohr, die Tretlagerhülse und die Kettenstreben, wo die typischen Bruchbilder zu beobachten sind.

Bei besonders hochwertigen und dünnwandigen Stahl-Rohrsätzen für Rennräder, mit Wandstärken von z.B. nur 0,6 Millimetern, raten wir dennoch von der Gravur ab. 

Aluminium hat vereinfacht dargestellt nur ein Drittel der Festigkeit von Stahl, bei einem Drittel dessen Gewichts, und erfordert daher die dreifachen Wandstärken. Eine Gravur von 0,1 Millimeter Tiefe ist hier harmlos.

Dass die Gravur dem Rahmen nicht schadet, das wurde übrigens schon vor Jahrzehnten durch ein Gutachten der TU Aachen bestätigt.

Bei der Prägung findet statt des Material-Abtrags eine Material-Verdichtung statt. Diese führt eher zu einer Erhöhung der Materialfestigkeit, wie bei hochwertigen, kaltgeschmiedeten Fahrradkomponenten. Ein Bruch ist hier nochmals weniger wahrscheinlich.

Zur Wiederholung weisen wir darauf hin: Räder aus Carbon dürfen weder graviert noch geprägt werden. Hier kann durch die Codierung die oberste Lack-Schutzschicht beschädigt werden, Feuchtigkeit eindringen und durch Aufquellen der Fasern ein Schaden entstehen. Hier bieten wir nur die Aufkleber-Codierung an.

5 Alltagstauglichkeit

Wenn ein Fahrrad nicht die Belastung durch eine sachgerechte Codierung aushält, wie sie beim ADFC angeboten wird, dann ist ein solches Rad wohl eher als Ausstellungsstück für die Wohnzimmervitrine gedacht, als für dessen übliche Nutzung im Straßenverkehr.

Vom Kauf eines solchen Rades wäre also grundsätzlich abzuraten, wenn es nicht den typischen Belastungen gewachsen ist, wie z.B.

• Nutzung im Alltag und Straßenverkehr

• Parken in öffentlichen Abstellanlagen

• Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln
  (Transporthaken in Eisenbahn-Waggons,
  Halterungen für Bus-Transport)

• Transport eines Fahrrad-Kettenschlosses

Dabei entstehen unweigerlich auch mal Kratzer, die zwar nicht schön sind, die aber das Rad aushalten muss.

Zur typischen Nutzung gehört auch die Montage eines Kindersitzes. Diese führt tatsächlich zu besonders hohen Belastungen, für die nicht jedes Rad geeignet ist. An einem reinrassigen Rennrad oder vollgefedertem Mountain-Bike wäre eine solche Nutzung weniger typisch. In einem solchen Fall würden wir entsprechende Nutzungsverbote in der Betriebsanleitung nachvollziehen können – nicht aber das aufgeführte Pauschalverbot einer Codierung.

Sollte übrigens tatsächlich ein Schaden durch unsere Codierung entstehen, so meldet uns das bitte. Denn auch wir sind für unsere Arbeit verantwortlich und stehen zu unserem Wort. Nur liegen uns keine entsprechenden Erfahrungen vor, da solche Probleme normal nicht auftauchen...